Aus: Himmelsgruß - Gedichte (noch unveröffentlicht):
Copyright Maria Jachin-Kay (E. Maria Morschitzky)


AN DER HIMMELSTÜR 

            

Ach, liebes Himmelsschlüsselchen, 

sperr mir mit deinen Blütenkelchen 

die hohe Himmelstüre auf! 

Dann schau ich demütig zu Gott auf. 

 

Dein milder honigsüßer Duft 

erfüllt die reine Himmelsluft. 

Ich bitt‘ voll Ehrfurcht und voll Glauben, 

mir für ein Weilchen zu erlauben, 

anbetend vor dem Herrn zu knien! 

Da merke ich, wie klein ich bin 

vor Gottes hoher Majestät, 

vor seiner Pracht, an heiliger Stätt’. 

LASS MICH AN DEINEM HERZEN RUHN

Lass mich an deinem Herzen ruhn,
o lieber guter Gott!
Dort heilst du alle Wunden nun,
du linderst jede Not.

Lass mich in deinen Armen schlummern,
Gott Vater, höchster Herr!
Du kannst mein Leid in Glück verzaubern.
Du tröstest mich so sehr!

Lass mich, o Gott, dein Antlitz schauen!
Es ist so rein und mild.
So will ich deiner Treue trauen.
Sie ist mein Schutz und Schild.

Verberge mich in deinen Händen,
o Vater, treuer Gott,
die wärmen und die Liebe spenden.
Dein Trost ist Seelenbrot.

O Vater, mögest du mich segnen.
Dein Antlitz leuchte mir oft zu.
Ich möchte deinem Blick begegnen.
Wie herrlich, gut bist du1

HEILIGER GEIST, ERHELLE DIE SEELE

Heiliger Geist, erhelle die Seele,
stärke sie, mache sie gut und klar!
Du bringst mir Liebe, Frieden und Helle,
strahle und bleib in mir immerdar.

Tief in der Seele leuchtet dein Lichtschein,
funkelt so klar wie goldene Stern.
Heiliger Geist, dir will ich mein Herz weihn,
dich tief im Innern spüren und hörn.







 

Gedichte der kleinen Therese
Neuübersetzung und erste Nachdichtung der Gedichte der Therese von Lisieux von "Maria Kay".
"Heilige Therese vom Kinde Jesus und vom Heiligen Antlitz. Gedichte." Das Buch ist in der Deutschen und der Österreichischen Nationalbibliothek.
Einzelne Exemplare können unter Kontakt bestellt werden.

Textprobe:
Gedicht 8  vom August 1894, Erinnerung an den im Juli verstorbenen Vater.

 

Gebet des Kindes eines Heiligen

 

Erinnere dich: Dein einziges Glück auf Erden

 bestand einst darin, uns zärtlich zu lieben.

Erhöre dieses Gebet deiner Kinder,

beschütze uns, segne uns gnädig noch immer.

Dort oben triffst du unsre liebe Mutter wieder,

die dir in die heilige Heimat vorausging.

Ihr herrscht zurzeit

im Himmel, zu zweit.

Wachet über uns! …

 

Erinnere dich an deine geliebte Marie, 1

deine älteste, deinem Herzen liebste Tochter.

Erinnere dich: Dein Leben erfüllte sie

mit ihrer Liebe, mit Glück und mit Zauber …

Du verzichtetest auf ihre süße Gegenwart – für Gott –

und priesest die Hand, die dir das Leiden darbot …

Oh! An deinen Diamanten,

der immer mehr funkelt,

erinnere dich! …  

 

Erinnere dich an deine schöne echte Perle, 2

die du als schwaches und zaghaftes Lamm kanntest.

Sieh, wie sie von einer göttlichen Kraft erfüllt ist

und wie sie die Herde des Karmel leitet.

Sie wurde die Mutter deiner andern Kinder.

Komm und führe jene, die dir so lieb ist, o Vater! …

Und ohne Verlassen des Himmels,

gedenke deines

   kleinen Karmels! …

 

Erinnere dich an jenes glühnde Gebet  ̶

du hast es für für dein drittes Kind 3 gestaltet.

Gott erhörte dich, denn wie ihre Schwestern ist sie auf Erden

eine schöne, sehr leuchtende Lilie. Der Orden

der Heimsuchung verbirgt sie vor den Augen der Welt.

Doch sie liebt Jesus, das ist der sie durchflutende Friede.

An ihre Sehnsüchte

und all ihre Seufzer

erinnere dich! …

 

Erinnere dich an deine geliebte Celine 4 ,  die ja

für dich wie ein Engel des Himmels war,

als dich ein Blick des Göttlichen Antlitzes traf,

um dich durch glorreiche Erwählung zu erproben …

Du herrschst im Himmel … Ihre Pflicht ist erfüllt.

Jetzt schenkt sie Jesus ihr Leben …

Beschütze dein Kind,

das oft wiederholt:

erinnere dich! …

 

Erinnere dich an deine kleine Königin, 5

an das Waisenkind der Beresina.

Erinnere dich, deine Hand lenkte sie allzeit

bei ihren unsicheren Schritten. O Papa!

Erinnere dich: In den Tagen ihrer Kindheit

wolltest du für Gott allein ihre Unschuld bewahren! …

̶  Und an ihr blondes Haar,

wovon dein Auge entzückt war,

erinnere dich! …

 

Erinnere dich: Damals , im Aussichtsraum,

setztest du sie immer auf deine Knie;

und ein Gebet flüsternd, wiegtest du sie

durch deinen so süßen Kehrreim ein.

Versenkte sich dein tiefer Blick im Weltenraum,

so sah sie in deinem Gesicht des Himmels Widerschein.

Du sangst von der Schönheit

der Ewigkeit;

    erinnere dich! …

 

Erinnere dich an jenen strahlenden Sonntag,

da du sie an dein väterliches Herz drücktest

und ihr ein weißes Blümchen schenktest,

mit der Erlaubnis, zum Karmel zu entfliegen.

 O Vater! Erinnere dich, du bewiesest ihr

aufrichtigste Liebe in ihren großen Prüfungen.

In Rom und Bayeux hast du ihr

den Himmel gezeigt.

   Erinnere dich! …

 

Erinnere dich, wie der Heilige Vater

im Vatikan die Hand auf deine Stirn legte.

Doch du kanntest nicht jenes Geheimnis

des göttlichen Siegels, das sich dir einprägte …

An dich richten deine Kinder nun ihre Gebete.

Sie preisen dein Kreuz und deinen bitteren Schmerz! …

Im Himmel erstrahlen

an deiner glorreichen Stirn:

 neun blühende Lilien!!! … 6

 

Das Waisenkind der Beresina 7

 

Fußnoten:

1   Marie Martin (1860 ̶1940): Sie hatte sich von 1882– 86 um die Erziehung Theresias gekümmert.  Seit 1886  lebte sie im Karmel von Lisieux,  unter dem Namen Sr. Maria vom Heiligen Herzen Jesu.

2  Pauline Martin (1861  ̶ 1951):  Pauline hatte  nach dem  Tod der Mutter an Therese Mutterstelle vertreten. 1882 trat sie in den Karmel v. Lisieux ein (als Sr. Agnes v. Jesus).  Sie war Priorin von: 1893 ̶ 96; 1902 ̶ 08; 1909 ̶1951.

3  Leonie Martin (1863  ̶ 1941):  Sie  trat – mit mehreren Unterbrechungen – unter dem Namen „Thérèse Dosithée“ in den Orden der Heimsuchung in Caen ein und feierte 1900 ihre Profess.

4  Celine Martin (1869  ̶ 1959): Als Kind war sie Theresias Spielkameradin.  Wegen der Pflege des Vaters trat sie erst  nach seinem Tod,  1894, in den Karmel von Lisieux ein und hieß dort Sr. Genovefa v. d. hl. Theresia. Sie war Theresias Krankenpflegerin in deren letzten Lebenszeit.

5  Therese Martin (1873  ̶  1897)

6   Von neun Kindern (den „Lilien“) überlebten die oben beschriebenen fünf Schwestern.

7   Seit Napoleons Schlacht an der Beresina in Weißrussland wo viele Kinder zu Waisen wurden, bedeutet französisch „bérésina“ eine Katastrophe.